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Sonntag, 3. Januar 2021 17:01

Corona-Jahresrückblick 2020

Am Ende wird alles gut... und wenn es nicht gut ist, dann ist es noch nicht das Ende.
Oscar Wilde

Warnung, dieser Blogeintrag hat eine hohe Viruslast.

Scherz beiseite... Am 26. März 2020 hatte ich mir den ersten groben Überblick über die Pandemie verschafft, denn wer seinen Feind kennt, der hat keine Angst. Damals hatte ich die Ziele zusammengefasst, die die Menschheit erreichen muss, um die Pandemie einzudämmen:

Jetzt möchte ich nur resummieren, wo wir hier im Einzelnen stehen:


Corona-Tests

Mal abgesehen von den Schwurbelmythen, dass der PCR-Test nicht validiert sei, die Verwirrung um die falsch positiven und falsch negativen Ergebnisse, ob man nun infiziert oder infektiös ist, ob der Ct-Wert etwas die Viruslast aussagt etc. wird inzwischen doch recht umfangreich getestet (Bayern und weltweit). China fährt hier die Strategie, ausnahmslos alle zu testen, wenn es irgendwo einen Ausbruch gibt, und in westlichen Ländern läuft das eher freiwillig und chaotisch ab. Mittlerweile gibt es auch Schnelltests in begrenztem Umfang.


Vorhandene Medikamente

Insgesamt ist die Wirksamkeit vorhandener Medikamente eher enttäuschend. Aber das liegt wohl in der Natur der Sache, dass Viruserkrankungen generell eher schlecht behandelbar sind. Mit ihnen muss das Immunsystem meistens irgendwie alleine fertig werden. Aber immerhin gibt es einen regen Austausch der Erfahrungen zur Behandlung von Covid-19 (z.B. vom DIVI). Trotzdem ist es eine beängstigende Krankheit, die im schweren Verlauf zu erheblichen Langzeitfolgen führen kann und gerade bei älteren Patienten häufig zum Tod.


Kapazität von Krankenhäusern

Das ist wirklich eine paradoxe Situation. Planbare Operationen wurden verschoben, die Anzahl der Intensivbetten/Beatmungsgeräte deutlich erhöht, doch es fehlt schlicht an Personal. Dieser Missstand, der seit der Privatisierung der Krankenhäuser aufgebaut wurde, ließ sich natürlich nicht in einem Sommer beheben, denn die Ausbildung zur Krankenpflege dauert drei Jahre und war seit langem nicht sonderlich attraktiv. Wer Intensivpatienten betreuen kann, benötigt zudem eine Zusatzausbildung, die in der Regel zwei weitere Jahre dauert. Das stampft man auch nicht so ohne weiteres in einem Sommer aus dem Boden. Hinzu kommt das Abwerben von medizinischem Personal (insbesondere Osteuropa), was zu einem Mangel an Fachpersonal eben dort führt. Naja, Hauptsache wir...

Jedenfalls ist es nun so, dass wir zwar eine große Anzahl an Intensivbetten mit Beatmungsmöglichkeit haben, aber zu wenig Personal, um diese auch nutzen zu können. Außerdem haben Kliniken in Gebieten, in denen zwar Kapazitäten zur Behandlung von Covid-19-Kranken vorgehalten werden, aber nur wenige solcher Patienten auch behandelt werden müssen, immer mehr finanzielle Probleme. Dagegen suchen andere Krankenhäuser händeringend nach Personal, und seien es nur Aushilfen, die das Pflegepersonal bei Arbeiten entlasten können, für die die Ausbildung als Pflegekraft nicht zwingend notwendig ist. So kam Ferdinand beispielsweise im Sommer zu seinem Job. Er hat im Harlachinger Krankenhaus Patiententransporte durchgeführt.

Einen Überblick über die Lage in den Krankenhäusern kann man sich beim DIVI verschaffen. Im weltweiten Vergleich steht Deutschland dennoch sehr gut da.


Beschaffung von Beatmungsgeräten etc.

Während das Kleinmaterial wie Masken, Gummihandschuhe und sonstige Schutzausrüstung relativ schnell zur Verfügung standen, gab es bei den Beatmungsgeräten ein ziemliches Chaos, was dazu führte, dass letztendlich zuviel bestellte Geräte verschenkt wurden. Aber es war schon erstaunlich zu beobachten, wie hier die Produktion angekurbelt wurde. Wenn damit aber anderen Ländern geholfen wurde, denke ich, dass es schon schlimmere Steuerverschwendungen gab und gibt.


Entwicklung eines Covid-19-Medikamentes

Bis auf die Antikörpertherapie, die man aus Blutserum Genesener extrahieren oder sogar künstlich herstellen kann, ist auch hier das Ergebnis ernüchternd. Aber auch bei den Antikörpern ist die Forschung noch nicht so weit, dass diese in großem Umfang angewendet werden könnte.


Entwicklung von Impfstoffen

Anders sieht es bei den Impfstoffen aus. Hier wurden enorme Summen investiert und Phase I und II teilweise parallel laufen gelassen, so dass die Entwicklungszeit enorm verkürzt werden konnte. Nur bei der entscheidenden Phase III wollte man sich nicht unter Zeitdruck setzen lassen, US-Präsidentschaftswahl hin oder her. In der New York Times kann man sich hier einen hervorragenden Überblick verschaffen, der regelmäßig aktualisiert wird.

Nun da wir einige Impfstoffe haben und weitere in der Pipeline anstehen, ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis er weltweit produziert und verteilt werden kann. Zwar ist die Frage noch offen, wie lange er zu einer Immunität führt und ob auch gegen neue Mutationen ein Schutz besteht, aber hier bin ich recht zuversichtig.


Herdenimmunität

Eine Herdenimmunität kann durch eine Durchimpfung und/oder Durchseuchung erreicht werden. Eine Durchimpfung ist mit weniger Verlusten (Leben und Langzeitfolgen) erreichbar und deshalb in meinen Augen der humanere Weg, diese zu erreichen. Eine Durchseuchung ist nur dann anzuraten, wenn diese ausreichend langsam erfolgt, so dass die Gesundheitssysteme nicht überlastet werden.

Der schwedische Sonderweg hat uns leider gezeigt, dass ein Schutz der vulnerablen Gruppen in der Praxis nicht einfach ist. Einerseits ist es inhuman, Menschen in Altersheimen zu isolieren oder von Risikogruppen zu verlangen, sich aus dem öffentlichen Leben herauszuhalten. Andererseits ist ohne flächendeckende Schnelltests und Impfung der Risikogruppen ein Schutz sehr schwierig. Allerdings kann sich nun diese Situation mit der Strategie, Risikogruppen zuerst zu impfen und die jetzige Verfügbarkeit von Schnelltests allmählich ändern. Wenn der Schutz der vulnerablen Gruppen besser gewährt werden kann, ist eine Lockdownstrategie nicht mehr notwendig, da eine Durchseuchung der jüngeren Bevölkerung weniger risikoreich ist. Deshalb gibt es auch in Ländern mit niedrigerem Durchschnittsalter eine sehr viel geringere Sterblichkeitsrate. Da man nicht um jeden Preis jedes Leben retten kann, wäre das vermutlich vertretbar. Aber ich bin froh, dass ich diese Entscheidungen nicht treffen muss.

Man sieht also, dass wir auf dem Weg aus der Pandemie sind. 2021 wird auf jeden Fall besser und 2022 werden keine Lockdowns wegen SARS-CoV-2 mehr notwendig sein. Allerdings besteht immer noch die Möglichkeit, dass wieder Viren eine Pandemie auslösen können. Wie groß das Risiko allerdings ist, steht wohl in den Sternen.



Wirtschaft und andere Kollateralschäden

Es ist kein Geheimnis, dass ich die ganze Sache eher aus virologisch-epidemiologischer Sicht betrachte. Das mag daran liegen, dass ich seit über zwanzig Jahren in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis stehe und ich selten echte Existenzängste hatte. Außerdem war meine Mutter Krankenschwester und ich habe mich deshalb schon früh für alles Medizinische interessiert. Und ich durfte/musste dadurch die letzten Jahre die Privatisierung und den damit verbundenen Kostendruck im Gesundheitswesen aus der Nähe miterleben.

Dennoch sehe ich auch in meinen Freundes- und Bekanntenkreis die vielen negativen Auswirkungen der Eindämmungsmaßnahmen. Leute, die sich in Schwurbelideologien verfangen haben, Menschen, die finanzielle Einbußen durch Kurzarbeit haben, Selbständige, die entweder gar nicht (z.B. Reitschulen, Künstler, Veranstalter) oder eingeschränkt (z.B. Restaurants) arbeiten dürfen und um ihr Überleben kämpfen. Ich habe von Psychologen gehört, wie die Situation gerade im Jugendamt aussieht. Von Singles, die sich gerade sehr, sehr einsam fühlen.

Die Glaskugeln der Ökonomen und Wirtschaftsweisen zeigen die gesamte Palette von "Wirtschaft wird sich bis Ende 2021 erholen" bis "werden noch Jahre an Insolvenzen und Rezession leiden". Ich persönlich schaue mir die Menschenmassen in den Skigebieten an und denke mir: Der Drang, sein Geld auszugeben, zu reisen, sich etwas zu gönnen, zu konsumieren, ist dermaßen überwältigend, dass sich die Wirtschaft eher früher als später erholen wird. Wie ein Wirtschaftswunder nach dem Krieg.

Und dann wächst die Wut auf die Superreichen, die zu den Gewinnlern der Coronakrise gehören. Inwiefern der Trend, dass sich die Schere zwischen Arm und Reich weiter öffnet, nun wieder umgekehrt werden könnte, wird sich zeigen. Wünschenswert wäre es auf jeden Fall. Ob das nun mit einer neu eingeführten Vermögenssteuer, Sonderabgaben für Reiche, Schließen von Steuerschlupflöchern und/oder einer Form eines Grundeinkommens passiert, werden wir sehen.

Die Coronakrise hat aber noch viele andere Dinge sichtbar gemacht und gewisse Trends beschleunigt. Inwiefern wir den Schwung mitnehmen können für eine positive Zukunft, sei es bei der Bekämpfung des Klimawandels, der Beschleunigung der Digitalisierung oder einer nachhaltigeren (Regional-)Wirtschaft wird ebenfalls interessant zu beobachten sein.

Wir leben in spannenden Zeiten.

Everything's going to be okay!
Carl Grimes

Thema: Corona
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Kommentare:

Sonntag, 3. Januar 2021 18:53

tcai schrieb:

Auf die spannenden Zeiten könnte ich gern verzichten. Letztendlich werden wir und deine Kinder das alles bezahlen müssen. Wir werden nicht so alt werden, wie unsere Eltern, weil das Gesundheitssystem an der Krise zerbrechen wird bzw. die Menschen die dort arbeiten.

Ich wünschte, ich könnte das so optimistisch sehen wie du, aber ich habe einen anderen Blick auf die Welt. Vielleicht weil ich auf dem Land lebe und sehe, wie dreckig es vielen Leuten jetzt schon geht. Es sind ja nicht nur die Restaurants, da hängen viele andere Branchen dran, in denen die Menschen ebenfalls vor dem Aus stehen. Brauereien, Landwirte, Zulieferer, Handwerker. Beispiel: Von meinem Schwager und seiner fünfköpfigen Familie geht nur noch eine Person arbeiten. Und die jobbt für 400 Euro beim Edeka an der Kasse. Die anderen sind in Kurzarbeit bei 60% Gehalt.

Das System ist viel zu komplex, um es nur aus medizinischer-epidemiologischer Sicht zu bewerten. Wir blicken immer nur auf die Toten, aber nicht auf die Lebenden und deren Zukunft.
Die Rechnung bekommt die Bundesregierung spätestens zur Bundestagswahl, wo all diejenigen die ihre Jobs und ihre Zukunft verloren haben, die AfD zur stärksten Partei machen. Das wird noch viel schlimmer werden, als Corona. Und der Klimawandel kommt noch dazu, der wird Milliarden Menschen das Leben kosten. Und dafür wird es keinen Impfstoff geben.

Sonntag, 24. Januar 2021 17:08

Sandra schrieb:

Nur eine kleine Anmerkung. Ich hatte geschrieben, dass ich die Pandemie "eher" aus virologisch-epidemiologischer Sicht betrachte. Deshalb frage ich mich, woher im Kommentar plötzlich das "nur" aus medizinischer-epidemiologischer Sicht geworden ist. Aber eigentlich kann mein Beitrag damit nicht gemeint sein, oder? Es ist wohl eher eine allgemeine Aussage, und die ist natürlich richtig.

Last Update:
09.01.2012 13:04 Clicks: 3102030

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